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Travelreport Studienreise Dresden

Von Sir Rohner

Jahreswechsel haben es in sich. Finden Sie nicht auch? Man lässt schöne Momente Revue passieren und verspricht sich mehr Engagement für die weniger erfolgreich verlaufenen Dinge des vergangenen Jahres. Vorsätze nennt man diese. Meines Erachtens sind Vorsätze nur für stark übergewichtige Kettenraucher. Und von einem Vorsatz kann auch nicht mehr gesprochen werden, wenn ich mir vornehme am Neujahrswochenende mit einer Horde primitiver Einzeller auf Studienreise zu gehen. Denn dieses erste Highlight des Jahres ist eine bereits fest verankerte Tradition.

1. Januar 2009
Nun, Traditionen haben die Eigenschaft, dass sie nach einem ähnlichen Muster ablaufen. Ein roter Faden ist auch bei unseren Reisen nicht zu übersehen. So traf man sich wie immer im Wartekabäuschen auf dem Perron am Bahnhof der Hafenstadt (Wil). Ich durfte wohlwollend feststellen, dass mein Bartbefehl von allen umgesetzt wurde. Die einen Weiber waren darüber nicht so erfreut, auf einmal einen Mann mit Schnauz zu haben. Eine Entschuldigung für diese so brillante und kopierte Idee meinerseits halte ich aber für übertrieben.

Ab Zürich nahmen wir zwei Abteile des CityNightLine in Beschlag, der uns in die Hauptstadt Sachsens fahren sollte. Stolz auf den Teamlook mit bärtigen Grinden und einem gesponserten T-Shirt einer Grossbank, tranken wir ein paar Gute Nacht-Teeli.

In Mannheim wurde jemand von einem Abteilgenossen mit einer Wasserflasche beworfen, die die Unterleibsgegend traf. Zuerst wollte dieser das Sprichwort wie du mir, so ich dir umsetzen und zurückwerfen, entschied sich dann aber um und spedierte die Flasche durch das offene Abteilfenster auf den Bahnsteig hinaus (in Bockwurst-Country heisst das nicht Perron) in der Meinung mit de gschiider git noh, de Esel bliibt stoh eine Überlegenheit im geistigen Sinne zum Ausdruck zu bringen. Der Überraschungseffekt gelang. Doch kurz darauf wurden wir von einem dünnen, rot krawattierten Schaffner (der Lochzangenmensch wird dort so genannt) angebellt. Er knurrte was von wegen ruckizucki aussteigen und bla bla bla dini Mueter und so. Er gab ein gutes Beispiel dafür ab, warum Deutsche im Hassnationenranking seit mehr als 60 Jahren vorne mitmischen.

Dieser Zirkus war echt übertrieben, denn bis dahin waren wir anständig. Ehrlich. Das können die restlichen neun bestätigen. Wir gaben uns gegenseitig Tee, räumten das Leerschlecht in eine grosse Tasche und hielten den Lärmpegel auf erträglichem Niveau.
Nun gut. Nach ein paar weiteren Stopps, um Wasser und Kohle nachzufüllen schliefen die einen und die anderen besuchten noch den Getränkewagen, verzeihen sie, den Speisewagen.

2. Januar 2009
Dresden empfing uns mit kaltem Winterwetter. Unser Hostel erreichten wir nach gut 20 min Fussweg. Das Gepäck blieb in der Lobby stehen und wir machten uns auf zu einem Frühstück. Gestärkt marschierten wir anschliessend über die Augustusbrücke direkt auf das Schloss und die Semperoper zu. Den Zwinger mit seinem Porzellanglockenspiel gleich daneben schauten wir uns genauer an.
Dann vertrieb uns die Kälte bereits wieder in einen Spunten. Die Aufwärmphase dauerte etwas länger und danach war es bereits Zeit, Student Staub am Bahnhof abzuholen.

Der Nachmittag war, wie immer, vorreserviert für ein Mittagsschläfchen. Die beiden Mehrbettzimmer wurden bezogen. Sie waren sehr speziell eingerichtet. Das eine war eine Mischung allen Weltreligionen, die in Form von Tempelbögen, verzierten Wänden oder dem (angebunden) Koran zum Ausdruck kam. Das andere sollte mit viel Holz und dicken Ästen wohl den Urwald symbolisieren und dementsprechend quartierte sich dort auch die wilde Hälfte ein. Nach ein paar Zitaten aus dem Koran schliefen alle ein.

Das Nickerchen nahm die Zeit von sechzehn Uhr bis neunzehn Uhr in Anspruch. Gefolgt von einem Mahl und ein paar Drinks fanden wir uns um einundzwanzig Uhr auf dem Albertplatz ein. Die rasierten spürten im kalten Wind bereits einen frappanten Wärmeverlust in der Gesichtsgegend.

Um Überhaut eine Überblick über all die Chnellen, Kneipen, Spünten, Bars, Brauereien, Tearooms und Pubs zu gewinnen, charterten wir schon von der Heimat aus einen Dresden Night Walk. Man wird von einer Ü30 Studentin, deren Namen mir leider entfiel, an die Top Spots geführt. Interessante Dinge über die Dresdner Neustadt in Bezug auf die Bombardements oder die Plattenbauten waren zu vernehmen. Die Führerin, die die einen ausserhalb ihrer Hörweite liebvoll Bitch nannten, hätte eigentlich um Mitternacht Feierabend gehabt, doch unsere Marschzeit konnte wegen der Höckigkeit und Durst nicht eingehalten werden. So verliess sie uns gegen 3 Uhr in der Früh und wir teilen uns nach Bedürfnissen auf. Die einen assen ein vermeintliches türkisches Traditionsgericht. Andere liessen sich Stempel geben und durch Türen schieben. In die Disco, oooohhh. Wir überlegten uns dabei wie wir uns gut bewegen und stellten fest, dass ein Konkortanz wohl noch so manchen Tänzer der da tanzte alt aussehen liesse. Ebenso bemerkten wir, wie uns die weiblichen Spanner ansahen. Das Bier tranken wir in grossen Schlücken und hätten vor der Haustüre noch fast eine Boxerei mit einem Fussballdeppen gehabt. Schon eindrücklich, wie das Lied der Hosen (Disco) die letzten Stunden dieses Abends, zumindest für einen Teil von uns, den Nagel auf den Kopf traf.

3. Januar 2009
Zum vereinbarten Abmarschtermin für die Frühstückseinnahme am Samstagmorgen (10 LochLoch) konnten nicht alle begrüsst werden. Der Weckdienst hatte versagt und fand erst durch einen Wilden vom Tschungelzimmer statt. Naja, Hoptsach de Hond isch gsond.
Wiederum sahen wir uns ein paar schöne Dinge der Innenstadt an und konnten im Gegensatz zu Prag einen Turm besteigen. Den der Kreuzkirche. Das Sünneli lachte vom Himmel, aber Väterchen Frost vertrieb uns bald wieder nach drinnen, diesmal in ein tschechisches Traditionsrestaurant. Die Mägde hätten uns gerne Krüge noch und nöcher aufgetischt, wir sahen es ihnen genau an. Aber mehr als der Durst quälte uns die Müdigkeit, die dann in Form des Mittagsschläfchens auf ihre Kosten kam.

Mit halbwegs vollen Batterien suchten wir nach Sonnenuntergang den Weg zu einer empfohlenen Gastwirtschaft. Es hiess bei Muttern und die Mueter war zugegen. Man half ihr beim Austeilen von Getränken und wäre auch hinter den Tresen gestanden. Der Einfraubetrieb erreichte die Belastungsgrenze.
Die Schlummertrünke wurden an verschiedenen Orten zu uns genommen. Zu später Stunde wurde erneut ein türkisches Lokal für das spätnächtliche Hüngerchen aufgesucht und nur dank einigen alkoholischen Vorläufern musste niemand dem Ueli rufen wegen all dem Gammelfleisch im Dürüm. Mami und Papi legten sich danach auf die Matratze, während die Kinder noch einen drauf setzten.

4. Januar 2009
Über Nacht hatte es gut 10 cm geschneit. Der Abmarsch klappte diesmal vollzählig und am Hauptbahnhof blieb Zeit für ein stärkendes Frühstück vor der Heimfahrt. Student Staub verabschiedete sich wieder Richtung Wien und man werweisste ob er wohl noch kurz in Prag für ein Grundbedürfnis aussteigen würde.
Unsere Rückfahrt verlief summa summarum problemlos. Trotz Verspätungen schafften wir es auf alle Anschlusszüge und schwelgten in schönen Erinnerungen dieses Wochenendes. So zum Beispiel als wir am Sonntagmorgen zwei Prachtexemplare von Hagischwänzen in unseren Kammern vorfanden. Man dankt herzlich für die Organisation dieser.

Auch von meiner Seite herzlichen Dank für die wiederum grosse Anteilnahme. Ich hoffe Sie nächstes Jahr wieder begrüssen zu dürfen. Insofern herrscht bereits Vorfreude, denn wie Sie alle wissen: nach der Studienreise ist vor der Studienreise.

Mit hagischwänzigen Schlägen, Hauptzugführer Sir Rohner
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